Wir haben Julia Kühne, 22 Jahre alt, Urberlinerin, an ihrem neuen favorite Spot, dem Skatepark am Poststadion, getroffen. Nachdem sich ihre Fußballmannschaft auflöste, fing sie 2011 mit dem Skaten an „und es ist kein Ende in Sicht“, sagt sie.
Ihr wurden eines Tages auf Youtube, Skateboardvideos empfohlen und sie klickte mal auf so eins rauf und dann noch eins und noch eins und dann wollte sie das auch können, was sie da in den Videos sah. Skateboarding hatte sie sofort in seinen Bann gezogen.
Am Ende ihres damaligen Praktikums, bekam sie zum Abschied 50€ geschenkt und ging damit gleich los und kaufte sich ihr erstes Komplettboard (…).
Geskatet wurde direkt vor der Haustüre, auf dem Fußgängerweg. Ein Skatepark war ja nicht da und es gab auch noch keinen Bezug dazu. „Die Rollstuhlrampen in meiner Straße, das waren meine Kicker“ erzählt sie und lacht dabei. „Die waren zwar nicht hoch, aber für mich war es der Begin von etwas ganz Großem!“
Das Skateboard Marke „Supermarkt“, hat natürlich nicht lang gehalten, also folge bald das erste richtige Skateboard und der Schlag in’s Gesicht, wenn du merkts, wie teuer der neue, liebgewonnene Sport eigentlich ist. Doch dazu später mehr.
Erst mal ging Julia fleißig Street Skaten, danach kamen erste Spots dazu, wo sich auch andere Skateboarder rumtrieben und dann, ja dann stand mit einmal ein Skatepark direkt vorm Haus. „War schon geil!“ erzählt Julia und du siehst ihrem Gesicht an, wieviel Zeit sie dort verbrachte und was ihr das Skaten dort bedeutet.
Später kam auch noch ein Bowl dazu und das Glück war perfekt.
Nach so einem Werdegang ist es auch nicht verwunderlich, dass Julia zum Typ Skateboarderin „Stell mir was hin und ich skate das Ding“ gehört. Hier wird nicht unterschieden nach Street oder Bowl oder Park, etc…
„Wieso soll ich mich denn auch auf eins beschränken, das ist doch gerade das beim Skateboarden, was es so spannend macht. Es gehört irgendwie alles zusammen und wenn du dich darauf einlässt, eröffnet es dir auch ganz neue Möglichkeiten. Sei flexibel und offen, dann hast du mehr Spaß!“
Was bedeutet dir das Skaten?
„Das war früher wie ein Strohhalm für mich, in einer Zeit, in der es mir nicht so gut ging. Ich wollte mich nicht an den typischen Aktivitäten eines Teenagers beteiligen…Mitschüler mobben, Saufen, Kiffen, extrem cool sein, oder sinnlos abhängen…also war es irgendwie einsamer in meiner Welt und mit Skateboarding fand ich etwas, das mir den nötigen Halt gab, um mich nicht total verloren zu fühlen. Im Gegenteil!
Mit dem Skaten hatte ich weiterhin meine sportlichen Aktivitäten, aber auch mehr Abwechslung und mehr Herausforderung. Diese ganzen neuen Tricks nicht nur mit dem Körper zu erlernen, sondern eben auch im Kopf zu erfassen, zu verarbeiten, und an verschiedenen Spots umzusetzen, das war Koordination auf ganz neuem Niveau. (Zur Erinnerung, vorher rannte sie nur einem Ball hinterher…)
Aber Skateboarding kann schon auch ne Bitch sein, es kann richtig doll weh tun (lacht). Egal! Es lohnt sich so was von und ich habe meine besten Freunde, durch’s Skaten gefunden. Unbezahlbar.“
Was ist das schlimmste am Skaten?
„Die Kosten!“ (alle lachen und nicken)
„Damals, als ich noch nicht unterstützt wurde und wenn ich ein neues Deck brauchte, bin ich zu Titus (ich kannte einfach noch nichts anderes) und habe dort nach gebrauchten Decks gefragt. Ein tatsächlich neues, war so zwei mal im Jahr drin. Auch Schuhe, die habe ich mir gebraucht bei anderen geschnorrt oder über Ebay gekauft. Ich bin so gar manchmal auf die Bäume geklettert, um mir die hochgeworfenen Sneaker von der Laterne zu fischen, in der Hoffnung dass sie passen und der Vorbesitzer regular gefahren ist, weil ich ja goofy fahre und dann war der Ollifuß-Schuh wenigstens noch ganz. Der andere wurde getaped.“
Aber heute wirst du unterstützt? Oder wurdest es früher? Wie ist das jetzt?
„Irgendwann kamen „ten Skateboards“ auf mich zu. Die haben mich mit Boards versorgt, bis ihnen mein Verschleiß zu groß war, vermute ich.
Danach kam „over“ … das war eine weirde Zeit… ging auch nicht lang.
Im Anschluß an diese Erfahrungen, dachte ich mir – okay, war nett aber ich gehe lieber weiterhin zu meinem Local Shop und kauf mir einfach die Boards, auf die ich Bock habe und niemand muß sich verbiegen. Irgendwann bist du auch Local Kundin und bekommst nen Local Rabatt und ich mag das einfach. Support your local Scene! Merkt euch das da draussen!“
Gehört es deiner Meinung nach dazu, überhaupt Sponsoren zu haben? Ist das n erklärtes Ziel, wenn du irgendwann längere Zeit dabei bist?
„Ich denke das hat was mit dem Status zu tun. Deinem Standing in der Gruppe in der du dich bewegst. Ich finde, man sollte einfach schauen was für eine Art Person man sein möchte. Willst du ´n Sponsoring nur um ne Fame Bitch zu sein, dann lass es besser gleich bleiben. Das will keiner sehen.
Willst du ein Sponsoring, weil du Bock auf die Marke hast und sie wirklich präsentieren willst, einen Bezug dazu hast und die umgekehrt auch Bock haben auf dich und in dir nicht nur n weiteres Marketing Tool sehen, dann mach das! Irgendwie geben und nehmen weißt du.“
Du wirst ja jetzt unterstützt, seit du im Olympia-Nachwuchsteam bist. Wie war das, als dir plötzlich jemand den du nicht kennst, über deinen Instagramaccount ne Anfrage schickte, dir was von Olympia erzählte und dich kennen lernen wollte.
„Ich dachte das wäre Spam! Nein ehrlich.
Das war so unwirklich und dann kam nach meiner Antwort auch erst mal nichts zurück. Das war sicher irgend ein Trojaner oder so… ich wartete nur darauf, dass mein Handy abstürzen würde.
Stattdessen kam dann doch noch ne weitere Nachricht und ein Treffen und dann wurde das irgendwie real…und dann war es doch ganz cool.
In meinem Freundeskreis gab es einige die mir sagten, ich sei eine der besten Fahrerinnen in Berlin, aber ich dachte immer, das sagen die nur so. Sind doch meine Homies. Die wollen mich nur motivieren oder so, aber da war dann diese fremde Person und die hatte mich auf dem Radar und dann holt die mich in das Team. Na dann kam ein fettes, stolzes, Grinsen!“
Das geht jetzt zwei Jahre so.
„Ja und ich hoffe ich bin auch noch das dritte Jahr dabei. Ich will das schon durchziehen.
Ich habe es für mich erst mal antesten müssen. Ich bin ja vorher nie Contests gefahren und wurde da direkt ins kalte Wasser geworfen (Randinfo: Julia wurde als ersten Contest erst mal zum Mystic Cup gekarrt.), nur weil da eine fand, sie glaubt das könnte mein Ding sein.
Es gab viele negative Stimmen was das alles betrifft und ich war verunsichert, aber jetzt weiß ich: Alles halb so wild!
Ich sehe das als Chance. Ich kann reisen, Skateparks entdecken, die ich sonst in meinem LEBEN nicht gefahren wäre. Ich lerne seitdem viel mehr dazu, weil die Skateparks ausserhalb von Deutschland noch mal auf nem ganz anderen Level gebaut – oder einfach nur anders – sind.
Also strenge ich mich an und geb‘ richtig Gas, weil das will ich nicht verlieren. Ich bin halt auch ehrgeizig!“
Wird Skateboarding jetzt „professionell“?
„Moah…wie willst du Skateboarden denn professionalisieren, wenn du Skateboarder nimmst, um das zu managen und die sollen auch noch mit anderen Skateboardern zusammen arbeiten? (lacht) Und die, die Verantwortung tragen, kommen auf die Skatementalität nicht klar. Das ist manchmal Chaos pur, aber so auf charmante Art und Weise. Ich bin ja recht umgänglich und komm mit allem klar. Andere haben jetzt plötzlich ganz krasse Ansprüche an das Ganze, weil die sich eben auch denken – ich bin jetzt Athlet/in, ich bin jetzt bei Olympia, ich bin jetzt Profi.
Es ist der erste Versuch, man sollte den Ball einfach mal flach halten und schauen was passiert und dankbar sein für alles, was es uns dem Team und der Skateboardszene, ermöglicht.“
Wie wichtig findest du Vorbilder, hast du vielleicht selbst welche?
„Ich habe keine Poster an der Wand, falls du das meinst, aber es gibt schon Personen die mich an manchen Tagen positiv beeinflusst haben. Wenn ich scheisse drauf bin und mir einen Clip von einem meiner Lieblingsskater ansehe, holt mich das wieder ab und ich schnapp mir mein Board doch wieder und mach weiter. Bin direkt wieder geflasht.
Es ist auch cool, wenn du nen Trick auf Youtube ansiehst, selber lernst und dann neben dem Erfinder davon stehst und dir denkst: Ich dachte der wäre größer!“ erzählt sie uns lachend und schildert dann ihre Begegnung mit Steve Caballero in Californien und wie das eigentlich schon verdammt großartig war. Manchmal ist sie vielleicht doch ein kleinwenig „Fangirl“, gesteht sie.
Wie ist das, mit den ganzen Pros auf einmal beim selben Contest zu starten?
„Sind auch nur Menschen wie du und ich, wenn die cool zu mir sind, bin ich auch cool zu denen.“
Was wünschst du dir für die Zukunft in Berlin und/oder Deutschland?
„Mehr anständige Parks! Auf europäischem Niveau können wir da so, nicht mithalten. Macht keinen Spaß auf Dauer.
Mehr skatebare Gehwege wären toll, was soll das mit dem ganzen Kopfsteinpflaster?
Ich hätte lieber wieder mehr kleine Skateshops, als große Shops, die in eigentlich Vertriebe sind, und in großen Einkaufszentren zu finden sind. Jedoch befürchte ich, dass genau der Punkt, nicht mehr realisierbar ist. Wenn die großen Vertriebe down sind, kaufen wir halt auch alle unsere Boards nur noch bei Aldi.“
Was würdest du denn gern dem Nachwuchs mit auf den Weg geben?
„Nicht aufgeben, auch wenn es hart ist oder du oft hinfällst. Es wird weniger mit der Zeit, dafür tut es dann doller weh!“
Da lacht sie wieder.
„…Scheisse!“
Noch etwas was du sagen möchtest? Grüße an die Welt da draußen?
„Ich hab euch lieb! Und danke an Speed Rat Wheels, Barrio Skateshop, Koloss Bearings und Cleptomanicx.“
Danke Julia, es war uns eine Freude.